Vergesst Kununu! Sofort!

Im Internet weiß nicht nur niemand, dass du in Wahrheit ein Hund bist, im Internet kannst du auch alles und jeden bewerten. Shops, Anwälte, Ärzte, Hundesitter … und (Ex-)Arbeitgeber. Für alle (bei Hundesittern bin ich mir nicht ganz sicher) gibt es sogar eigene Bewertungsplattformen, die führende Plattform für Arbeitgeber ist Kununu.

Eigentlich mag ich das Angebot ja. Es hat mich, glaube ich zumindest, schon vor der ein oder anderen beruflichen (Wechsel-)Fehlentscheidung bewahrt. Vorwiegend Ex-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dort mit ihrer Bewertung das Bild einer Firma und einer Unternehmenskultur gezeichnet, die – sagen wir es höflich – im alltäglichen Arbeitsleben wenig prickelnd zu sein scheint. Einmal hab ich an dieser Stelle auch schon deutlich vor einem Unternehmen gewarnt, aber auch andere ehemalige Arbeitgeber von mir gelobt.

Die Bewertung ist Ihnen unangenehm, wir nehmen sie offline

Über die Jahre habe ich Kununu als eine besonders ehrliche Plattform wahrgenommen. Das Geschäftsmodel erschien mir einigermaßen fair. Man finanziert sich nicht durch Werbung, sondern durch kostenpflichtige Unternehmensaccounts. Diese haben allerdings nicht die Berechtigung unangenehme Bewertungen zu löschen, aber doch zu kommentieren und ganz allgemein an ihrem Unternehmensimage zu arbeiten. Bewertungen löschen, das kann nur Kununu selbst. Und das macht Kununu auch:

Das es tatsächlich so einfach ist unangenehme Bewertungen pauschal als Fakes zu benennen und Kununu selbst bei Nicht-Kunden diese dann löscht (ja, eigentlich löschen sie nicht, sondern nehmen die Bewertungen nur offline, was von außen betrachtet, aber so ziemlich das gleiche ist), hat mich schon schockiert.

Ja, in den meisten Fällen wird von den Autoren der als Fake angezeigten Bewertung ein Nachweis für eine tatsächliche Beschäftigung angefordert. Das klingt fair. Allerdings wer macht sich schon die Mühe und wer traut Kununu wirklich so weit, dass nicht doch irgendwann der Anwalt des Ex-Arbeitgebers vor der Tür steht.

Damit will ich nicht leugnen, dass es wirklich Fake-Bewertungen gibt. Massenweise wahrscheinlich – von vergraulten Mitarbeitern die Negativ-Bewertungen und von händeringend nach Fachkräften suchenden Unternehmen die Positiv-Bewertungen. Und nicht immer sind sie so einfach zu erkennen, weil die einen alles Scheiße finden und die anderen alles Supercalifragilisticexpialigetisch.

Negatives Feedback ist auch sinnvolles Feedback

Ich glaube letztlich aber, dass sich Kununu mit dieser Praxis keinen Gefallen tut. Klar, Einschleimen bei Arbeitgebern bringt vielleicht Bezahlaccounts, aber wenn dir keine Arbeitnehmer mehr vertrauen, ist dein Geschäftsmodell auch abgelaufen. Gut, wenn jeder E-Commercekunde wüsste, wie leicht sich bei den üblichen Bewertungsangeboten negative Kommentare löschen lassen, würden sie keiner 5-Sterne-Bewertung mehr trauen. Aber das Angebote wie Kununu jetzt auch in dieser Liga spielen wollen – ich weiß nicht.

Ja, natürlich leidet Kununu unter einem Phänomen, unter dem so ziemlich alle Bewertungsplattformen leiden – oder vielmehr, die Bewerteten. Bin ich mit etwas zufrieden, ist mein Anreiz mir die Mühe einer Bewertung zu geben geringer, als wenn ich so richtig angepisst bin. Und entsprechend lesen sich manche Bewertungen dort auch. Die meisten solcher Bewertungen halte ich im Tonfall und der Wortwahl zwar für falsch, aber nicht jeder, der sich so die Wut von der Seele schreibt, war ein Querulant. Das sollten Plattformen wie Kununu eben auch wissen. Und übrigens auch die Unternehmen, bei denen nicht manche plötzlich schockiert feststellen, dass zwischen Selbstbild und der von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern empfundenen Realität große Schluchten klaffen. Vielleicht sollte man besser den Weckruf erkennen, statt die Bewertungen als Fake dieses einen Querulanten abzutun, von dem alle froh sind, dass er weg ist.

Fazit?

Am Ende ist Kununu eben doch auf dem Niveau von Wikipedia angekommen. Obwohl es erschreckend viele Menschen gibt, die es für eine seriöse, belastbare Quelle halten, ist dort alles nur noch mit Vorsicht zu genießen.


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